Donnerstag, 5. März 2015

Offener Brief an den Bürgermeister von Berlin /// 5.3.15

Sehr geehrter Herr Müller,

mit diesem Brief möchten wir Sie über den Prozess zur Besetzung der neuen Direktion an der DFFB (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH) informieren und Sie ersuchen, vermittelnd in diesen einzusteigen.

Die DFFB ist ihrer Tradition nach eine Akademie, die stets eine intensive Zusammenarbeit aller akademischen Gremien – der Studierenden, der Dozenten und Mitarbeiter – begrüßt hat. Als solche beansprucht sie das Recht auf Mitbestimmung bei der Berufung einer Direktion, wie es für staatliche Hochschulen gesetzlich verankert ist. Der Akademie-Gedanke formuliert zudem einen Anspruch, der über die reine Vermittlung eines Handwerks hinaus geht und so auch im Gesellschaftsvertrag der DFFB abgebildet ist:

§ 2 Abs. 1 Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und Unterhaltung der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Die Akademie hat die Aufgabe, durch Orientierung und Vorlesung, Demonstration und Seminar sowie durch Anleitung in Übungs- und Entwicklungsstudios Kenntnisse über Film und Fernsehen zu vermitteln; sie soll die künstlerische Entwicklung des Films und des Fernsehens fördern.

Die DFFB ist Eigentum des Landes Berlin und als gemeinnützige GmbH organisiert. Der Gesellschaftsvertrag der DFFB besagt, dass das Land Berlin die Vertreter des Kuratoriums bestimmt, welche wiederum in allen wichtigen Belangen verantwortlich zeichnen. So auch bei der Besetzung der Direktion der DFFB. 

Mit der letzten Besetzung wurde das Vertrauen zwischen dem Kuratorium und der Akademie empfindlich gestört. Die Universität der Künste (vertreten durch Dozenten und Filmschaffende) zog sich, nachdem es zu keiner Einigung mit der wirtschaftlichen Seite, sprich dem Kuratorium, gekommen war und Sophie Maintigneux als Spitzenkandidatin der Akademie nicht berufen worden war, aus der damaligen Findungskommission zurück.

Jan Schütte musste ohne eine breite Akzeptanz in der Akademie seine Arbeit unter Protesten aufnehmen. Auch die internen Probleme während seiner Amtszeit fanden beim Kuratorium kein Gehör und blieben für die Geschäftsführung ohne Konsequenzen.

Nach dem Weggang Schüttes im Sommer letzten Jahres hat sich die Akademie darum bemüht, die Kommunikation mit der Senatskanzlei und dem Kuratorium aufzunehmen, um schon vor Beginn des anstehenden Berufungsverfahrens aktiv in den Dialog um das nicht im Gesellschaftsvertrag festgelegte und damit zu bestimmende Verfahren einzutreten.

Ein innerhalb der Akademie verfasster und basis-demokratisch abgestimmter Verfahrensvorschlag zum Berufungsverfahren der Direktion wurde nicht als Diskussionsgrundlage akzeptiert und auch auf das weitere Drängen, sich zumindest auf eine öffentliche Vorlesungsreihe mit dem engeren Kandidatenkreis zu einigen, gab es keine positive Antwort. Es wurde ein geheimes Verfahren beschlossen, bei dem sich die zwei akademischen Vertreter auf eine vollkommene Verschwiegenheit einlassen mussten. Obgleich die Vertreter wiederholt auf die Schwierigkeiten in der Vermittlung dieser Vorgehensweise hingewiesen hatten, wurde an dem Verfahren festgehalten. Mit der Absichtserklärung, einen Konsens mit den Akademievertretern zu finden, konnte Björn Böhning einen Teil des Vertrauens der Akademie wieder aufbauen, und in der Hoffnung auf diesen Konsens blieben die Vertreter im Verfahren.

Schließlich fand am 5.12.14 eine Sitzung des Kuratoriums statt, bei welcher demselben zwei Kandidaten als Ergebnis der Findungskommission vorgestellt wurden, von denen nur einer von den Akademievertretern unterstützt wurde, was bereits eine Aufkündigung des Konsens-Versprechens bedeutete.
Bei der Abstimmung über die beiden Kandidaten durften die Akademievertreter nicht anwesend sein.
Gleichzeitig demonstrierten etwa einhundert Studenten vor dem Eingang des Roten Rathauses, um ein Zeichen zu setzen, dass sie ein Teil des Prozesses sind und im Sinne der Akademie und der Studentenschaft entschieden und gehandelt wird, damit sich die Fehler von 2010 nicht wiederholen. Julian Pölsler und Sophie Maintigneux wurden beim Eintritt in das Rote Rathaus gesehen. Damit wurde ihre Bewerbung öffentlich.

Die künstlerische und pädagogische Eignung der von den Studierenden, Dozenten und Mitarbeitern der DFFB unterstützten Bewerberin Sophie Maintigneux, derzeit Professorin an der KHM Köln, steht außer Frage.

Das Kuratorium konnte sich aber trotz der Empfehlung der Akademievertreter und Gleichstellungsgesetz offenbar nicht zu einem Votum für Sophie Maintigneux entscheiden. Den Vertretern und Studierenden wurde lediglich mitgeteilt, dass Ihnen „nichts mitgeteilt werden könne“ und sich das Kuratorium in der „finalen Entscheidungsphase” befinde. Seitdem gab es – bis zum 25.2.15 – an die DFFB oder ihre Vertreter in der Findungskommission keinerlei Mitteilungen.

Dagegen wurde die Berufung des zweiten Kandidaten, gegen den sich die Akademievertreter klar, begründet und eindeutig ausgesprochen hatten, möglicherweise beschlossen, konnte aber, vielleicht auch durch die andauernden Proteste vor dem Roten Rathaus, Stellungnahmen in der Presse und die von der Studierenden organisierten öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, verhindert werden.

Zwischenzeitlich kündigte Björn Böhning an, dass eventuell neue Bewerber zum laufenden Verfahren hinzustoßen könnten. Auch die Vertreter wurden aufgerufen, neue Namen einzubringen und damit ihre Loyalität den eigenen Kandidaten gegenüber aufzukündigen. Ohne Erklärung von Seiten der Entscheidungsträger, warum die akademiegestützten Kandidaten nicht berücksichtigt werden konnten, sollten nun neue Kandidaten den fristgerechten Bewerbungen des laufenden Verfahrens vorgezogen werden. Zu jenem Zeitpunkt und bis dato wurde keinem Bewerber abgesagt.

An dieser Stelle sei auf eine zweite Bewerbung hingewiesen, die von den akademischen Vertretern stark unterstützt wurde. Fred Kelemen und Oliver Czeslik, die gemeinsam eine neue Direktion bilden wollen, legten ein visionäres Konzept für die DFFB vor und wurden trotz ihrer Qualifikation nicht in den Kreis der engeren Bewerber mit einbezogen. Auch nach dem vorläufigen Scheitern der Findungskommission konnte sich das Kuratorium nicht auf einen offenen Dialog mit den Bewerbern einlassen. Als Grund wurde die Doppelspitze in ihrer formalen Aufstellung kritisiert, dabei sieht der Gesellschaftsvertrag der DFFB die Möglichkeit mehrerer Geschäftsführer vor. Auch hier wurde ein vertrauensbildender Moment zwischen Akademie und Kuratorium verpasst.
Nachdem die Akademie also bis zum 25.2.15 über den genauen Verlauf des Verfahrens im Unklaren gelassen worden war, lud Björn Böhning die Akademievertreter an diesem Tag zu einem vertraulichen Gespräch. Die Vertreter verkündeten eingangs, dass ab sofort sämtliche Informationen dieser Gespräche an die Akademie-Öffentlichkeit weitergegeben würden.

Björn Böhning stellte anschließend Ralph Schwingel, der nicht an der regulären Ausschreibung teilgenommen hatte, als neuen Wunschkandidaten vor. Eine Bewerbung mit einem Konzept, welches wiederum vertraulich behandelt werden sollte, wurde präsentiert. Die Unterlagen waren auf September 2014 datiert.
Somit soll nun – nach einem über Monate hinweg intransparent durchgeführten Prozess – ein am öffentlich ausgeschriebenen Bewerbungsverfahren vorbei geschleuster Kandidat als einziger der Akademieöffentlichkeit präsentiert werden.

Bei dem Gespräch war zudem unangekündigt ein fester Dozent der DFFB anwesend und warb um eine offene Haltung gegenüber dem neuen Bewerber. Jener Dozent hat kein Mandat als akademischer Vertreter für die Findungskommission. Damit war und ist er nicht legitimiert, im Zuge der Direktionswahl als Vertreter der DFFB aufzutreten.
Hier vermittelt sich der Eindruck, dass es um persönliche Interessen geht, im Widerspruch zu einem öffentlichen Verfahren und im Widerspruch zur Tradition, in der sich die DFFB sieht.

Zweimal lehnte das Kuratorium die Wunschkandidatin der Akademie ab. "Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?" (Brecht)

Das Kuratorium, dessen Zusammensetzung Björn Böhning selbst im Verlauf des Gesprächs am 25.2.15 problematisiert hat, besteht ausschließlich aus Vertretern der Industrie, die teilweise in beratender Funktion oder als Geldgeber über studentische Projekte entscheiden. Wir weisen auf die Notwendigkeit einer Überprüfung des sich hier abzeichnenden Interessenskonfliktes hin, wie er im Gesellschaftsvertrag der DFFB ausgeschlossen wird: 

Gesellschaftsvertrag 8 (8)
Die Mitglieder des Kuratoriums dürfen nicht in geschäftliche Beziehungen (Lieferung, Leistung oder Beratung) zur Gesellschaft treten.

Des weiteren muss die Frage gestellt werden, inwieweit ein derart einseitig aufgestelltes Gremium die Interessen einer Filmakademie abbildet, welche, wie es im oben erwähnten Gesellschaftsvertrag der DFFB heißt, „die künstlerische Entwicklung des Films und des Fernsehens fördern soll“. Dies impliziert die Notwendigkeit eines aufsichtsführenden Gremiums, welches imstande ist, sich die Interessen einer Akademie anzuhören und sich auf einen gemeinsamen Diskurs über die Zukunft derselben einzulassen.

Wir sehen es als skandalös an, dass das Kuratorium und Björn Böhning die von der DFFB mit großer Mehrheit favorisierten Kandidaten nicht berufen bzw. nicht einmal angehört hat, es aber offenbar in Erwägung gezogen hat, der DFFB einen eindeutig abgelehnten und weniger qualifizierten Kandidaten vorzusetzen.
Fatalerweise ist genau dieses Vorgehen schon einmal mit dem letzten Direktor geprobt worden, der die Akademie in einem verzweifelten und im Hinblick auf die Arbeit mit den Studenten desolaten Zustand hinterlassen hat.

Die DFFB braucht angesichts ihrer aktuellen Verfassung eine Direktion, die auf eine breite Unterstützung innerhalb der Akademie setzen kann.

Das laufende Verfahren muss in mehreren Punkten in Frage gestellt werden:
1. die Zusammensetzung des Kuratoriums, welches weder vermag, die Realität des von der Akademie geforderten Diskurses weiterzuführen, noch zu konstituieren, worin als aufsichtsführendes Gremium seine grundlegende Aufgabe bestünde,
und, damit zusammenhängend
2. ein Prozess, welcher mangelnde Bereitschaft zum Einbezug der Akademie und grundlegende Interessensunterschiede zwischen Entscheidungsbefähigten und den von der Entscheidung Betroffenen offenbarte und einen Zweifel am Grundverständnis demokratischen Handelns Björn Böhnings aufkommen ließ

Nun sehen sich die Studierenden der DFFB gezwungen, das Handeln des Chefs der Senatskanzlei, der von einem demokratisch gewählten Amtsträger eingesetzt wurde, juristisch prüfen zu lassen.

Wir möchten Sie auffordern, Björn Böhning darauf hinzuweisen, dass die sich abzeichnende Vollendung des Berufungsprozesses nicht im Sinne der Akademie ist. Das laufende Verfahren muss mit der Berufung einer der fristgerechten Bewerbungen enden, das nachgereichte Bewerbungen ausschließt, oder für gescheitert erklärt werden.

Wir erheben hiermit Anspruch auf ein Verfahren, das Vertrauen in demokratische Prozesse zurückgewinnen lässt.

Wir fordern von der Kulturpolitik den Schutz des historischen Erbes und des Selbstverständnisses der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.

Die DFFB muss sich wieder an die Spitze einer Bewegung stellen, die das Filmemachen allumfassend begreifen will, die nichts ausschließt, aber alles hinterfragt. Sie muss wieder ein Ort für Vordenker werden.

Mit freundlichen Grüßen

der Rat der Studierenden der DFFB
im Namen der Gemeinschaft der Studierenden

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